Gesetzesvorschlag missachtet Cartagena-Protokoll

Gesetzesvorschlag  missachtet Cartagena-Protokoll

NGT – Teil 4: Einem Gutachten des Bundeslandwirtschaftsministeriums zufolge stehen der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission und die Version des EU-Ministerrates zur Deregulierung neuer genomischer Techniken nicht im Einklang mit dem sogenannten Cartagena-Protokoll.

Die geplante Deregulierung neuer genomischer Techniken verstößt gegen einen völkerrechtlich bindenden Vertrag, der von der EU ratifiziert wurde. So lautet das Fazit des Gutachtens der Rechtswissenschaftlerin Prof. Dr. Silja Vöneky von der Universität Freiburg über den aktuell verhandelten EU-Gesetzesvorschlag. Das Gutachten wurde bereits im April durch das Bundeslandwirtschaftsministerium veröffentlicht (Gutachten zur Vereinbarkeit des EU-Vorschlags für eine Verordnung über mit bestimmten neuen genomischen Techniken (NGT) gewonnenen Pflanzen mit dem Cartagena Protokoll über die biologische Sicherheit).

Wichtige Maßnahmen fehlen

Das Gutachten hält fest, dass Pflanzen, die mittels neuer genomischer Techniken geschaffen werden, den Verpflichtungen des Cartagena-Protokolls unterliegen. Dabei komme es nicht darauf an, ob diesen Pflanzen artfremde DNA eingefügt wurde oder nicht. Das Cartagena-Protokoll schreibt für gentechnisch veränderte Maßnahmen eine Risikobewertung, Anmelde- und Mitteilungspflichten, sowie die Kennzeichnung der Pflanzen und aller folgenden Produkte vor. Laut Gutachten verstößt die Ratsversion des Gesetzesvorschlags mindestens gegen die letzten beiden Punkte. Deren Missachtung würde eine Rückverfolgbarkeit der Produkte unmöglich machen. Das Gutachten kommt daher zu dem deutlichen Schluss: Damit das geplante Gesetz die Vorgaben des Cartagena-Protokolls einhält, muss eine zukünftige EU-Verordnung die Anmelde- und Mitteilungspflichten sowie die Verpflichtung zur Kennzeichnung aller gentechnisch veränderter Pflanzen und ihrer Produkte enthalten. Dies schließt auch die Pflicht zur Gewährleistung ihrer Rückverfolgbarkeit ein.

Das Cartagena-Protokoll

Beim Cartagena-Protokoll handelt es sich um einen völkerrechtlich bindenden Vertrag, der den Umgang und internationalen Handel mit gentechnisch veränderten Organismen sowie Maßnahmen zum Schutz der natürlichen genetischen Ressourcen regelt. Mit vollem Namen heißt es „Internationale Protokoll über die biologische Sicherheit“. Meist wird es jedoch nach seinem letzten Verhandlungsort in Kolumbien kurz „Cartagena-Protokoll“ genannt. 

Gutachten nicht unter den Tisch fallen lassen

Das Gutachten wurde vom Bundesministerium noch unter der Leitung des vorherigen Ministers Cem Özdemir in Auftrag gegeben. Die alte Bundesregierung hatte im Ministerrat auf EU-Ebene eine ablehnende Haltung zur Deregulierung eingenommen. Die Position der neuen Regierung zu diesem Thema ist bislang noch nicht eindeutig und eher widersprüchlich.

Der Deutsche Imkerbund lehnt die Deregulierung neuer genomischer Techniken ab. Der zurzeit auf EU-Ebene diskutierte Gesetzesvorschlag weist eklatante Lücken hinsichtlich der Risikobewertung, der Kennzeichnung, der Rückverfolgbarkeit und der Patentbildung auf. Dies sorgt für große Rechtsuntersicherheit und das Risiko enormer Kosten für die Landwirtschaft, den Lebensmittelhandel und die Imkerei. Eine Koexistenz scheint angesichts des aktuellen Gesetzesvorschlages der Kommission und der Position des Rates nicht möglich. Daher haben wir uns bereits an die betroffenen Bundesministerien gewandt. Wir fordern, dass Deutschland seine bisherige Position im Ministerrat beibehält und dort aktiv versucht, eine umfangreiche Deregulierung der neuen genomischen Techniken zu verhindern. Die EU darf nicht gegen das Cartagena-Protokoll verstoßen!