Nach intensiven Nachtsitzungen haben sich EU-Kommission, Parlament und Rat auf neue Regeln für neue genomische Techniken (NGT) bei Pflanzen verständigt. Das Ergebnis sorgt europaweit für Kritik.
Die negativen Punkte des Deals gleich vorneweg: Pflanzen der Kategorie NGT1 und deren Produkte sollen künftig ohne Risikoprüfung, ohne Kennzeichnung, ohne Rückverfolgbarkeit und ohne Monitoring auf den Markt kommen. Auch verpflichtende Maßnahmen zur Koexistenz – etwa Pufferzonen – sind nicht vorgesehen. Damit bleiben gentechnikfreie Betriebe weitgehend ungeschützt.
Patente gefährden Vielfalt
Besonders problematisch: Für NGT1 sind keine Haftungsregelungen vorgesehen. Patentfragen werden lediglich über einen freiwilligen Verhaltenskodex angesprochen. Kleine und mittelständische Züchtungsbetriebe laufen Gefahr, weiter ins Hintertreffen zu geraten. Zwar müssen Unternehmen oder Züchter bei der Anmeldung zur Registrierung einer NGT1-Pflanze Informationen zu allen bestehenden oder anhängigen Patenten einreichen, doch könnten Landwirtinnen und Landwirte künftig dennoch ungewollt in Patentstreitigkeiten geraten.
Immerhin gibt es ein paar positive Punkte: Pflanzen, die gegen Herbizide resistent sind oder selbst bereits bekannte Insektengifte erzeugen, gelten als sogenannte „NGT2-Pflanzen“ und fallen damit weiterhin unter die Regularien für gentechnisch veränderte Pflanzen. Für NGT2-Pflanzen können die Mitgliedstaaten weiterhin ein nationales Anbauverbot verhängen.
Positionen nicht verteidigt
Kritik kommt vor allem aus dem Europäischen Parlament: Das Vorsorgeprinzip werde ausgehöhlt, Umwelt- und Verbraucherschutz geschwächt, Transparenz und Wahlfreiheit unterlaufen. Besonders besorgniserregend sei, dass die neuen Regeln nicht nur Nutzpflanzen betreffen, sondern auch Wildpflanzen und Bäume.
Die konservative Berichterstatterin im EU-Parlament, Jessica Polfjärd, vertrat während der Verhandlungen nicht wesentliche Punkte, die der Position des Parlaments entsprachen – ein Verbot von Patenten, Rückverfolgbarkeit, Kennzeichnung und das Monitoring vertrat sie in den Verhandlungen nicht. Eine Parlamentsmehrheit für dieses Ergebnis kann sie nur durch eine Zusammenarbeit mit den rechten Fraktionen erzielen, die eine Deregulierung der Gentechnik unterstützen.
Wie es weitergeht: Der ausgehandelte Text muss noch von den Agrarministerinnen und Agrarministern sowie vom Plenum des Europäischen Parlaments bestätigt werden. In beiden Institutionen ist die Mehrheit offen – einzelne Mitgliedstaaten und Abgeordnete könnten das Ergebnis noch infrage stellen.
Für Freizeitimkerinnen und -imker bleibt die Lage angespannt. Eine Deregulierung erschwert die Arbeit all jener, die auf Transparenz und sichere Rahmenbedingungen angewiesen sind.
Unsere Forderung: Klare Ablehnung!
Wir fordern die Bundesregierung auf, dem Verhandlungsergebnis der EU zur Neuen Gentechnik nicht zuzustimmen. Das Ergebnis ist inakzeptabel und sollte klar abgelehnt werden. Neben dem Deutschen Imkerbund, anderen NGOs und der Öffentlichkeit forderten auch landwirtschaftliche Verbände und Firmen der Lebensmittelbranche eine Kennzeichnungspflicht, Rückverfolgbarkeit, Wahlfreiheit und ein Patentverbot.
Ebenso appellieren wir an die deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments, dem Ergebnis nicht zuzustimmen.
Die wichtigsten Kritikpunkte
im Überblick
Keine echte Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit
Nur Saatgut muss gekennzeichnet werden. Benachbarte Landwirte, Lebensmittelverarbeiter, Supermärkte und Verbraucher bleiben im Unklaren.
Patente gefährden Züchter und Vielfalt
Die Einigung sieht nur einen vagen freiwilligen Verhaltenskodex hinsichtlich Patenten vor. Große Unternehmen können die Arbeit von Züchtern nutzen, dann aber Pflanzen aufgrund genetischer Veränderungen patentieren. Kleine Züchter werden benachteiligt, Landwirte könnten wegen Patentverletzungen verklagt werden. Dies bedroht die Vielfalt auf den Äckern – und damit Bienen und andere Bestäuber.
Eine Studie soll ein Jahr lang mögliche Auswirkungen von Patenten untersuchen. Es ist jedoch naiv, zu glauben, dass Patente im Nachgang wieder entzogen werden. Die Entscheidung ist umso erstaunlicher, da gerade erst eine Studie zu entsprechenden Patenten erschienen ist, die deren negativen Einfluss aufzeigt.
Keine Risikobewertung
Sollte ein Risiko im Nachgang festgestellt werden, kann die Pflanze trotzdem angebaut werden, da keine Zulassung erforderlich ist.
Etikettenschwindel
Die Unterteilung in NGT1- und NGT2-Pflanzen soll NGT1-Pflanzen aus dem Gentechnik-Gesetz herauslösen. Sie ist willkürlich und wissenschaftlich nicht begründet. Begriffe wie „gentechnikfreie Region“ verlieren damit ihre Bedeutung, da NGT1-Pflanzen dort angebaut werden dürfen.
Keine Koexistenzregelungen
Verpflichtende Schutzmaßnahmen für Landwirte, Imkereien und den Lebensmittelhandel fehlen. Mitgliedstaaten können Maßnahmen einführen, müssen es aber nicht. Bei Kontamination haftet der Ausbringer der NGT1-Pflanzen nicht.
