Die EU-Kommission plant, die Genehmigungsverfahren für Pflanzenschutzmittel zu ändern. Künftig sollen die meisten Wirkstoffe zeitlich unbegrenzt genehmigt werden.
Am Dienstag, dem 16.12.2025, stellte die Kommission ihr sogenanntes Omnibus-Paket vor. Es enthält Änderungen zahlreicher Vorschriften im Lebensmittel-, Pflanzen- und Futtermittelbereich, darunter auch im Pflanzenschutzmittelrecht. Ziel der Omnibus-Pakete ist eine Entbürokratisierung und Vereinfachung der Regeln. Kritikerinnen und Kritiker sehen darin jedoch auch den Abbau von Standards, die dem Schutz von Umwelt sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern dienen. Nachdem die Nichtregierungsorganisation PAN Europe bereits über einen durchgesickerten Entwurf berichtet hatte, wurde die Veröffentlichung des offiziellen Dokuments mit Sorge erwartet. Der Vorschlag ist weiterhin kritisch zu betrachten, jedoch gibt es einige Unterschiede zwischen dem geleakten Dokument und dem tatsächlichen Gesetzes-Vorschlag.
Unbefristete Genehmigungen für Wirkstoffe
Hauptkritikpunkt ist eine Änderung von Artikel 5 der EU-Verordnung 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln. Diese sieht vor, dass Zulassungen für die meisten Pflanzenschutz-Wirkstoffe künftig nicht mehr regelmäßig überprüft werden müssen. Neue Genehmigungen wären damit grundsätzlich unbefristet. Ausgenommen sind sogenannte Substitutionskandidaten* sowie Stoffe mit bedingter Genehmigung und solche, für die noch Datenlücken bestehen. Bereits bestehende Genehmigungen – ebenfalls mit diesen Ausnahmen – sollen automatisch als unbegrenzt gelten. Die Kommission begründet dies damit, dass die meisten Pestizide bereits mindestens ein Prüfverfahren durchlaufen hätten.
Kritik aus der Wissenschaft
Bislang sind Genehmigungen von Wirkstoffen auf höchstens 15 Jahre befristet. Für eine Verlängerung müssen neue Studien nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft vorgelegt werden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betonen die Bedeutung dieses Verfahrens: Nur so werden Pestizide regelmäßig überprüft. Unbegrenzte Genehmigungen könnten zudem den Anreiz verringern, neue Wirkstoffe zu entwickeln, die für Mensch und Umwelt weniger schädlich sind.
Der nun vorgeschlagene Artikel 18 – der in dieser Form vom geleakten Entwurf abweicht – sieht allerdings vor, dass die Kommission regelmäßig Durchführungsrechtsakte erlässt. Darin sollen Wirkstoffe oder Wirkstoffgruppen benannt werden, für die dennoch ein Verlängerungsverfahren erforderlich ist. Bei der Auswahl sollen unter anderem Hinweise auf Sicherheitsbedenken, neue wissenschaftliche oder technische Erkenntnisse sowie Überwachungsdaten berücksichtigt werden. Auch die Mitgliedstaaten können eine Überprüfung beantragen.
Was unter „regelmäßig“ zu verstehen ist, und wie die Auswahl der Wirkstoffe für die Liste genau vonstattengehen soll, ist noch unklar.
Produktzulassungen bleiben befristet
Ist ein Wirkstoff genehmigt, darf er in Pestizidprodukten eingesetzt werden. Diese benötigen allerdings jeweils noch eine Zulassung. Immerhin soll entgegen früheren Meldungen auch künftig gelten: Eine Zulassung ist auf maximal 15 Jahre begrenzt und muss danach erneuert werden (Artikel 32).
Keine längeren Abverkaufsfristen
Im geleakten Dokument war in Artikel 46 noch vorgesehen, dass Produkte nach dem Verlust ihrer Zulassung noch bis zu zwei Jahre lang weiter verkauft werden dürfen. Auch die Aufbrauchfrist sollte auf bis zu ein Jahr verlängert werden. Diese Regelung findet sich im nun veröffentlichten Vorschlag nicht mehr.
Derzeit gelten nach dem Ende einer Zulassung – sofern keine unmittelbare Gefahr für Mensch und Umwelt besteht – eine Abverkaufsfrist von bis zu sechs Monaten und eine Aufbrauchfrist von 18 Monaten nach Ende der Zulassung.
Wie geht es weiter?
Bei dem Omnibus-Paket handelt es sich um einen Vorschlag der EU-Kommission. In den kommenden Monaten wird er im Ministerrat und im Europäischen Parlament beraten.
Der Deutsche Imkerbund wird das umfangreiche Dokument mit seinen zahlreichen Querverweisen weiter analysieren. Mehrere Punkte bedürfen einer genaueren Klärung, da sie Interpretationsspielräume lassen. Darüber hinaus enthält das Omnibus-Paket weitere Aspekte von Interesse, darunter:
- Pestizidbewertung durch die Mitgliedstaaten: Welche Daten müssen verpflichtend in die Bewertung einfließen?
- Biologischer Pflanzenschutz (Verordnung 1107/2009): Vorgesehen sind vereinfachte Bewertungsverfahren, eine stärkere gegenseitige Anerkennung zwischen den Mitgliedstaaten sowie priorisierte Antragsbearbeitung und vorläufige Genehmigungen. Allerdings fallen auch hier Punkte auf wie Artikel 3, Punkt 35 c. Dort wird als Definition einer biologischen Kontrollsubstanz hinzugefügt: „Stoffe biologischen Ursprungs oder synthetisch hergestellte Stoffe, die funktionell identisch und strukturell ähnlich sind.“ Darunter können somit auch gentechnisch veränderte Organismen fallen.
- Einfuhrvorschriften in Bezug auf Pestizidrückstände: Für besonders gefährliche Wirkstoffe, die in der EU aus Gesundheits- oder Umweltgründen verboten sind, sollen die Rückstandshöchstgehalte in Importware auf die Nachweisgrenze abgesenkt werden. Allerdings wird mit Artikel 3 (2) f) die Nachweisgrenze durch die Bestimmungsgrenze, also der Grenze, an der auch die Menge einer Substanz bestimmt werden kann, ersetzt. Zudem ist im Vorschlag zur Änderung der Verordnung 396/2005 nun auch ein Verweis auf „Gute fachliche Praxis“ in Drittstaaten untergebracht. Dort können jedoch ganz andere Standards für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gelten.
Der Deutsche Imkerbund wird gemeinsam mit anderen NGOs seine Lobbyarbeit fortsetzen, um die Verhandlungen im Sinne der Imkerschaft zu begleiten.
* Substitutionskandidaten sind Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe, die in der EU als besonders gesundheits- oder umweltschädlich eingestuft sind. Sie sollen möglichst durch risikoärmere Wirkstoffe ersetzt werden, sind aber noch genehmigt und können unter bestimmten Bedingungen in Produkten zugelassen werden.
Kritik am Verfahren
Umstritten ist auch das Vorgehen der EU-Kommission selbst. Die Europäische Bürgerbeauftragte Teresa Anjinho stellte beim Omnibus-I-Paket sowie bei Vorschlägen zur Gemeinsamen Agrarpolitik mehrere Verfahrensmängel fest. Dazu zählen eine auf weniger als 24 Stunden verkürzte Konsultationszeit zwischen den Dienststellen der Kommission an einem Wochenende, fehlende interne Aufzeichnungen zur Bewertung der Klimarelevanz sowie eine weit gefasste und unzureichend begründete Berufung auf „Dringlichkeit“.
