Honigbienen: Keine Gefahr für Wildbienen

Honigbienen: Keine Gefahr für Wildbienen

Stellen Honigbienen eine generelle Bedrohung für Wildbienen dar? Die wissenschaftliche Antwort lautet: nein. Eine neue Übersichtsarbeit zeigt, dass die bislang publizierten Daten keine solche Pauschalaussage rechtfertigen.

Die Biologen Wade Pike und Professorin Clare Rittschof von der University of Kentucky warnen: „Fachleute sollten vorsichtig sein. Sie sollten nicht die Botschaft verbreiten, eine Konkurrenz zwischen Honig- und Wildbienen mache die Verbesserung von Lebensräumen zunichte oder sie würde andere Faktoren, wie Lebensraumverlust und Pestizideinsatz, in den Schatten stellen.“ In ihrer Überblicksstudie[1], veröffentlicht in Integrative & Comparative Biology, haben sie zahlreiche Facharbeiten analysiert. Ihr Fazit: Es ist nicht gerechtfertigt, mögliche negative Auswirkungen durch Honigbienen zu verallgemeinern oder sie auf die Ebene der Hauptfaktoren des Rückgangs der Bestäuber zu heben.

Meist kein Zusammenhang

Einige Studien, die in den Datensatz der Übersichtsarbeit einflossen, berichten von möglichen negativen Einflüssen durch Honigbienen. Die Mehrheit jedoch zeigt keine Verbindung zwischen dem Vorkommen von Honig- und Wildbienen. So ergab die Analyse: 64 % der Studien, in denen der Zustand von Bienengemeinschaften untersucht wurde, weist keinen Zusammenhang zwischen dem Vorkommen von Honig- und Wildbienen nach. In den übrigen Studien wurden positive Beziehungen fünfmal häufiger dokumentiert als negative. Das bedeutet: Je mehr Honigbienen, desto mehr Wildbienen.

Die wahren Probleme benennen

Pike und Rittschof betonen: Konkurrenz um Ressourcen zwischen Arten ist ein natürlicher ökologischer Vorgang, doch intensive Landwirtschaft, veränderte Landnutzung und der Klimawandel haben weitaus größere Auswirkungen auf die Wildbienen. Sie führen zum Verlust von Nahrungsquellen und Nistplätzen und verschärfen mögliche natürliche Konkurrenzsituationen. Maßnahmen zum Schutz von Lebensräumen kommen daher beiden Gruppen zugute.

Zurück zur Sachlichkeit

Die Debatte um eine Konkurrenz zwischen Honig- und Wildbienen bedarf sachlicher Grundlagen. Pauschale Verbote der Imkerei in Schutzgebieten basieren oft auf Unwissen statt Wissenschaft. In bestimmten Fällen kann eine Begrenzung der Völkerzahl sinnvoll sein – und wird von Imkerinnen und Imkern bei einer entsprechenden Datenlage akzeptiert. Pauschale Verbote sind jedoch unverhältnismäßig, besonders dort, wo die Imkerei seit Langem traditionell verankert ist – etwa in von Menschen gepflegten Heidegebieten.

Pestizide, Verlust von Lebensraum und Klimawandel

Nicht die Imkerei ist das Problem, sondern politische Rückschritte im Umweltschutz. Wichtige Instrumente wie die verpflichtende Ausweisung von Brachflächen oder der nachhaltige Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wurden auf EU-Ebene nicht umgesetzt. Stattdessen werden nun viele Vorgaben, die dem Umweltschutz – und auch dem Schutz der menschlichen Gesundheit – dienen, unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus gestrichen.  Wir rufen daher alle Akteure dazu auf, die tatsächlichen Ursachen anzugehen, die auch in der Studie genannt werden: intensivere Landnutzung, Lebensraumverlust, Lichtverschmutzung und Klimawandel.

Zur Übersichtsstudie

In „Honey bee (Apis mellifera L.) and wild bee resource competition: how big is this problem?“ wurden zwei Datensätze von Studien analysiert, die sich in Studiendesign, Erhebungsmethoden und Zielsetzung deutlich unterschieden.

1. Der erste Datensatz umfasst 116 Studien, die gezielt die Auswirkungen von Honigbienen auf Wildbienen untersucht haben. Dazu wurden die Studien in drei methodische Kategorien unterteilt:

(1) Community-Studien, die Veränderungen in Artenvielfalt, Abundanz oder Zusammensetzung von Wildbienen messen;
(2) Studien zur Ressourcennutzung, die Überlappungen von Blütenbesuchen dokumentieren; und
(3) Fitnessstudien, die direkte Parameter wie Nestanzahl, Nachkommenzahl oder Körpergröße messen. Dies ist der methodisch aussagekräftigste, aber aufwändigste Ansatz. Nur 13 % der Studien untersuchten direkte Fitnessauswirkungen.

Die meisten Arbeiten verwendeten als Methoden das Beobachten von Blütenbesuchen oder Netzfänge. Sie stützten sich somit eher auf Präsenz- und Verhaltensdaten und weniger auf Auswirkungen auf die Population. Studien zur Ressourcennutzung dokumentieren zwar häufig Überlappungen im Blütenbesuch, erlauben aber grundsätzlich keine belastbaren Aussagen zu Fitness oder Populationsdynamik. Diese Methoden erfassen vor allem aktive und auffällige Arten und sind stark abhängig von Jahreszeit, Wetter und den vorkommenden Pflanzen. Darüber hinaus spiegeln sie eher kurzfristige Verhaltensanpassungen als langfristige Populationsveränderungen wider. Von solchen Verhaltensdaten lässt sich nicht auf Populationsprozesse schließen – etwa auf Rückgänge durch Verdrängung.

2. Der zweite Datensatz enthält 68 Studien mit insgesamt über 1.100 Standorten, die ursprünglich andere Fragen bearbeiteten, aber auch Honigbienen erfassten. Diese Studien verwenden überwiegend standardisierte Methoden wie Schalenfallen, Vane Traps oder Malaise-Fallen – also passive Erhebungsverfahren, die eine breitere, reproduzierbarere Erfassung der Bienenfauna erlauben. Diese Methodik ermöglicht robuste Aussagen über relative Häufigkeiten einzelner Arten und Vielfalt der Bienenpopulation. Sie erlaubt jedoch keine direkten Aussagen zu Fitness oder Verdrängung. In dieser Analyse fanden sich überwiegend keine oder sogar positive Korrelationen zwischen Honig- und Wildbienen.


[1] Pike WA, Rittschof CC (2025) Honey Bee (Apis mellifera L.) and Wild Bee Resource Competition: How Big Is This Problem? Integrative and Comparative Biology, icaf072, https://doi.org/10.1093/icb/icaf072